Texte – Bilder – Collagen – Objekte – Installationen – Film
Die Internationale Erich Fried Gesellschaft, die sich ein Jahr nach dem Tod des österreichischen Lyrikers, Essayisten und Übersetzers Erich Fried (1921–1988) formierte, versammelt bedeutende Autor/inn/en und Literaturwissenschaftler/innen des deutschen Sprachraums in ihren Reihen. Im Rahmen des diesjährigen Festivals wurden die Mitglieder eingeladen, Ausstellungsbeiträge zum Festivalthema zu gestalten.
Unter dem Titel KEINE | ANGST vor der Angst werden 25 Beiträge ausgestellt, wobei die Bandbreite der gewählten Zugänge von der Darstellung persönlicher Angstmomente bis hin zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema reicht.
Dauer der Ausstellung: Mi, 27.11.2019 bis Di, 31.03.2020
Öffnungszeiten: Mo–Do: 9.00–17.00 Uhr
Weihnachtsschließtage: Fr, 20.12.2019 bis Mo, 06.01.2020
So präsentiert • Friederike Mayröcker einen kleinen Plastik-Snoopy – ihr wertvoll geworden als Trostgeschenk – gemeinsam mit einem ihrer unverwechselbaren Prosagedichte.
• Robert Schindel, Präsident der Erich Fried Gesellschaft, erzählt davon, wie Kriegstraumata mit einem roten Ball verschmelzen, mit dem er im Nachkriegs-Wien als Bub auf der Jesuitenwiese Fußball gespielt hat.
• Josef Haslinger stellt ein kleines Marmeladeglas gefüllt mit Sand aus – daran geknüpft sind Erinnerungen an die verheerende Tsunamikatastrophe aus dem Jahr 2004, die der Autor und seine Familie nur mit knapper Not überlebt hatten.
• Lukas Bärfuss tritt in einen literarischen Dialog mit der französischen bildenden Künstlerin und Autorin • Muriel Pic.
Muriel Pic verwendet u. a. in ihrer Collage Survie Material aus dem berüchtigen Zivilverteidigungsbuch, das in der Schweiz während des Kalten Krieges an alle Haushalte verteilt wurde und die Bevölkerung auf den drohenden Angriff der Sowjets und einen Atomkrieg vorbereiten wollte.
Eine Fotografie des US-amerikanischen Fotografen Harry Lapow aus dem Jahr 1970 – sie zeigt ein schlafendes Kind am Strand von Coney Island – wiederum ist der Trigger, der • Sabine Grubers frühkindliche Angst vor Gewittern wachruft.
Die österreichische Nobelpreisträgerin • Elfriede Jelinek hat sich in den frühen 2000er-Jahren intensiv mit dem Thema Angst auseinandergesetzt und stellt aus dieser Periode den literarischen Kurztext Angst. Störung. (2005) zur Verfügung.
• Kathrin Rögglas Ausstellungstext Kleine Geografie der Angst korrespondiert mit einer akustischen Phobienliste von A–Ablutophobie bis Z–Zoophobie.
• Teresa Präauer fächert zum Thema Angstüberwindung eine Sammlung von 68 Andachtsbildchen auf, ein Flohmarktfund, datiert ab den 1920er-Jahren bis in die 1980er-Jahre.
• Gustav Ernst spielt in seinem Beitrag mit der Angst des Autors vor dem leeren Blatt.
• Angelika Reitzer stellt eine Installation mit Koffer und einem Super-8-Film aus, der ausgehend über das Motiv des Verstummens von dem damit einhergehenden Hinter-sich-Lassen von Vertrautem, Familiären erzählt.
• Herbert J. Wimmer verwandelt die Glastreppe im Literaturhaus Wien in ein Ausstellungsobjekt.
Von • Karin Ivancsics stammt die großflächige Collage Dorferneuerungsplan, die mit Aspekten von Flucht, Vertreibung und dem Verlust von Heimat arbeitet. Auch • Doron Rabinovicis unpublizierter literarischer Kurztext Die Fremde erzählt von Dissoziation und Entfremdung.
Eines der bemerkenswertesten Ausstellungsexponate haben der deutsche Autor • Rainer Merkel und • Claudius Lazzeroni, Professor für Interfacedesign, geschaffen: Die Angstmaschine – eine interaktive Maschine, die Servomotoren, Infrarotsensor, elektronische Schaltungen und Körperschallwandler mit diversen Stimmen verbindet.
Der Verleger • Klaus Wagenbach hat den Schlagring seines Urgroßvaters hervorgeholt, den er infolge einer Meinungsverschiedenheit mit Gudrun Ennslin, der legendären Mitbegründerin der terroristischen Vereinigung Rote Armee Fraktion, eine zeit lang zum Schutz bei sich trug.
Der deutsche Literaturwissenschaftler • Walter Hinderer (Princeton University) montiert philosophische, psychologische und literarische Schlüsselstellen von Søren Kierkegaard, Sigmund Freud, Georg Büchner, E.T.A. Hoffmann, Friedrich Hölderlin und Heinrich von Kleist zu einer umfassenden Angst-Collage.
Weltabschied. Leben im Versteck: Die österreichische Exilforscherin • Ursula Seeber verdeutlicht am Beispiel des jüdischen Künstlerehepaars Hans Schlesinger und Cilli Wang die unablässige, zermürbende Angst von Verfolgten und Vertriebenen.
Der Literaturwissenschaftler • Klaus Amann hat eine handschriftliche Textcollage zum Thema Angst & Lust geschaffen – er zitiert dazu Passagen aus dem legendären Skandalroman Josefine Mutzenbacher oder Die Geschichte einer Wienerischen Dirne von ihr selbst erzählt (1906, Felix Salten zugeschrieben).
Die Schweizer Publizistin • Beatrice von Matt widmet ihren Beitrag einem der größten Angsthasen der Literaturgeschichte: Jean Pauls Feldprediger Attila Schmelzle.
Der aus dem Niederrhein gebürtige Literaturwissenschaftler • Volker Kaukoreit erzählt von einer Kindheitsangst, ausgelöst von dort weit verbreiteten „Möhnenmasken“ (Hexenmasken) in der Karnevalszeit.
Der Literaturhaus Wien-Mitbegründer • Heinz Lunzer zeigt zum Thema „Existenzangst“ u. a. einen handschriftlichen Brief von Joseph Roth aus dem Pariser Exil, in dem er den Schriftstellerfreund Stefan Zweig um finanzielle Hilfe anfleht.
Der Leiter des Literaturhauses Wien • Robert Huez spricht eine der Urängste des 20. Jahrhunderts an: die Bedrohung durch Atomkraft und Atomwaffen, vergegenwärtigt durch eine Skizze und eine Radierung (s. Bild) des Südtiroler Malers und Grafikers Markus Vallazza (1936–2019).
Die Literaturwissenschaftlerin und -kritikerin • Daniela Strigl stellt Erich Frieds Gedicht Angst vor der Angst dem Gedicht Von der Angst von Theodor Kramer gegenüber.
Auch • Florian Höllerer, Leiter des Literarischen Colloquiums Berlin, widmet seinen Beitrag Erich Fried: Er zeigt 18 Übersetzungen seines Gedichts Angst vor der Angst, die im Rahmen des ersten Internationalen Treffens von Lyrikübersetzer/inne/n (JUNIVERS) im Juni 2019 entstanden sind, u. a. ins Persische, Bengalische, Russische, Weißrussische, Norwegische, Polnische, Kurdische, Englische, Französische oder Italienische.
Last not least widmet sich der Pädagoge • Wilhelm Urbanek ebenfalls Erich Fried. Er stellt ein Kunstobjekt des Autors zur Verfügung: eine Keramikplatte, die dieser mit Symbolen des Todes und der Vergänglichkeit versehen hat.