Erich Fried

geb. 6. Mai 1921 in Wien
gest. 22. November 1988 in Baden-Baden

Erich Fried wollte politische Wahrheit an sprachlicher Unwahrheit und gezielten Lügen aufdecken, besonders in den Massenmedien als Sprachrohr der Politik.

Erich Fried in Hamburg, 1982. Foto: © Catherine Boswell Fried

Eine handschriftliche Widmung in Erich Frieds erstem Gedichtband steht programmatisch für sein gesamtes dichterisches Werk: „Kunst und Menschlichkeit / helfen viel überwinden – / vielleicht .. / London. 1944“.
Dies keineswegs von Zweifeln freie Vertrauen auf Humanität und Kunst charakterisiert sowohl Frieds radikalen Moralismus als auch sein Verständnis von Literatur als Waffe gegen politische Indifferenz und gegen Unrecht.

Erich Fried wurde 1921 in Wien als Sohn jüdischer Eltern geboren. Er schrieb schon als Gymnasiast und organisierte nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Wien eine Widerstandsgruppe.
Nach dem Tod seines Vaters in Folge eines Gestapo-Verhörs ging er ins Londoner Exil, wo er sofort zu schreiben begann. Zeitgleich mit ersten literarischen Versuchen und beginnender Kulturarbeit gründete er die „Emigrantenjugend“; es gelang ihm, insgesamt 73 Verfolgten aus Österreich das Leben zu retten – dichterisches Schaffen und politisches Engagement waren von Anfang untrennbar ineinander verflochten.

Fried hatte sich in London für kurze Zeit dem „Young Austria in Great Britain“ angeschlossen, einer kommunistischen Widerstandsorganisation, deren Zeitschriften Young Austria und Zeitspiegel im Frühjahr 1941 erste Prosaskizzen und Gedichte veröffentlichten; kurz darauf erschien in einer Lyrikanthologie Frieds „Jugend“ – ein glühendes Bekenntnis zur Menschenliebe, die zugleich zum politischen Kampf gegen Unterdrückung verpflichtete.

Erich Fried mit den Zwillingssöhnen Tom und Klaus. 1978. Foto: © Catherine Boswell Fried

Mit seiner politischen Lyrik wurde er während der so genannten Wirtschaftswunderjahre zu einer Leitfigur für aufbegehrende Jugendliche und Intellektuelle in der Bundesrepublik (und Vietnam und, 1966). Seine Liebesgedichte (1979) wurden ein Bestseller und sind es bis heute geblieben.
In 45 Lyrikbänden zeigte Erich Fried das Individuelle im gesellschaftlichen Kontext, das Politische in seinen individuellen Konsequenzen.

Zeitlebens machte es der im Londoner Exil Verbliebene seinen Kritikern leicht, ihn persönlich oder literarisch anzugreifen. Das änderte sich erst nach seinem Tod; nun gehörte er „zu den bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikern nach 1945″ (Marcel Reich-Ranicki, 1988), der der politischen Lyrik Deutschlands neue Formen gegeben hatte.

Erich Fried wollte politische Wahrheit an sprachlicher Unwahrheit und gezielten Lügen aufdecken, besonders in den Massenmedien als Sprachrohr der Politik.

Erich Fried war Asterix-Comix Fan, 1979. Foto: © Catherine Boswell Fried

Charakteristisch für Frieds lyrisches Werk sind Sentiment und Dialektik, die seit Heinrich Heine in der deutschen Literatur kaum mehr gekannte Einheit von Intellektualität, Moralismus und Melancholie.

Seit und Vietnam und („Die Zeile des Jahrzehnts”, nannte Martin Walser diesen Titel) nahm Frieds Leserschaft beständig zu. Sein Protest gegen den Krieg in Vietnam, seine Kritik an Israels Politik („Als ihr verfolgt wurdet / war ich einer von euch / Wie kann ich das bleiben / wenn ihr Verfolger seid?“), sein Eintreten für eine humane Behandlung politischer Gefangener in der Bundesrepublik sowie seine öffentlichen Stellungnahmen gegen Willkürmaßnahmen von Staatsanwaltschaft und Polizei provozierten Pressekampagnen gegen ihn, bis hin zur Zensur einiger seiner Gedichte und zu einem Strafprozess.

Erich Fried zu Besuch auf der Burgfeste Dilsberg, 1979. Foto: © Catherine Boswell Fried

Zu den herausragenden Werken Erich Frieds gehören die Bände Höre, Israel! (1974), So kam ich unter die Deutschen (1977), Die bunten Getüme (1977) und das 1978 mit dem Internationalen Verlegerpreis ausgezeichnete lyrische Resümee 100 Gedichte ohne Vaterland.
Wesentlichster Band aus dem Spätwerk ist das im Verlag Klaus Wagenbach erschienene Quartheft Es ist was es ist (1983). Die Rede aus Anlass des ihm 1983 verliehenen Bremer Literaturpreises schloss Fried mit dem Bekenntnis, Schriftsteller zu sein, sei weder eine rein politische oder gar parteipolitische Tätigkeit – Schriftsteller zu sein, bedeute – „wie jede künstlerische Tätigkeit – der Widerstand gegen Entfremdung, gegen Abstumpfung, gegen Fühllosigkeit für das, was wir einander tun, und gegen Gedankenlosigkeit, auch im eigenen Kreis, auch bei uns selbst.“

1986 erhielt Erich Fried in Wien den Österreichischen Staatspreis für Verdienste um die österreichische Kultur im Ausland und in Berlin die Carl-von-Ossietzky-Medaille. 1988 verlieh ihm die Universität Osnabrück die Ehrendoktorwürde. 

Erich Fried in Hamburg 1982. Foto: © Catherine Boswell Fried

1987 hatte er bereits die bedeutendste deutsche literarische Auszeichnung, den Georg Büchner Preis, für sein Werk erhalten, das neben der Lyrik auch Prosa und literarische Übersetzungen umfasst, hier besonders Sylvia Plath, Dylan Thomas und die Shakespeare-Übersetzungen.

1989 wurde in Wien die Internationale Erich Fried Gesellschaft gegründet. Gründungsmitglieder waren Kurt Groenewold, als Testamentsvollstrecker, die damalige österreichische Regierung unter Bundeskanzler Franz Vranitzky und Professor Hans Mayer, der erster Präsident und Ehrenpräsident der Gesellschaft war. Die Gesellschaft verleiht seit 1990 jährlich den vom österreichischen Bund gestifteten und mit  15.000 Euro dotierten Erich Fried Preis.

Der literarische Nachlass Erich Frieds befindet sich in der Österreichischen Nationalbibliothek Wien.

Quelle: Kindlers Literaturlexikon.